Der Hof derer von Sohlern in Nastätten
Quelle:
- Konrad Hehner III
- Stadtarchiv Nastätten
Die Priorin des im Jahre 1222 gegründeten und im Jahre 1544 aufgelösten Zisterzienser-Nonnenklosters Aftholderbach, Dorothea Sultzbach von Hausen, verpachtete im Jahre 1536 im Einvernehmen mit dem Klosterkonvent, die in der Gemarkung Nastätten gelegenen Klostergüter auf die Dauer von 12 Jahren an Adam von Chirdorff in Nastätten für jährlich auf Martini (Martinstag) zu entrichtende 4fl - 16 alb (Gulden (fl., von "Florentiner Goldgulden") 1 Guleden = 26 alb (Albus)), auf Stephanstag 6 alb, zu Ostern 50 Eier.
Anlässlich der Auflösung des Klosters Aftholderbach kam dessen Klostergut in den Besitz des Benediktiner-Nonnenklosters Walsdorf, welches der großen Entfernung wegen des neu erworbenen Gutes nicht selbst bewirtschaften konnte. Aus dem Jahre 1578 wird von dem Junker Reinhard von Klingelbach berichtet, der den ehemals Aftholderbacher Hof in Nastätten als Mann- oder Erblehen innehatte. Er hieß nun der Klingelbach'sche Hof. Zu ihm gehörte der frühere Aftholderbacher Klosterbesitz in Buch mit der noch lange so genannten Walsdorfer Mühle unterhalb Buch, mit dem Nonnenwald, den Abbesgärten und den Klingelbachwiesen. Im Jahre 1590 starb Reinhard von Klingelbach und wurde in der Salvatorkirche zu Nastätten im Mittelschiff begraben. Das Grab fand sich später bei Bauarbeiten (wahrscheinlich 1774) wieder. Ein Reinhard von Klingelbach soll wiederholt Schultheiß von Nastätten gewesen sein. Schon im Jahre 1558 beschwerte sich der Edle Dietrich von Klingelbach über die Einwohner von Buch wegen eines Kelterbaumes.
Im Jahre 1608 erbittet die Äbtissin Marie von Klingelbach des Klosters Walsdorf von den Grafen von Nassau die Erlaubnis zum Verkauf von Gütern aus dem früheren Aftholderbacher Klosterbesitz. Danach verkauft das Kloster Walsdorf im Jahre 1610 den vom Kloster Aftholderbach herrührenden Besitz in Nastätten und Buch an die Herren von Klingelbach für 1.950 Gulden.
Im Jahre 1618 erwähnt der Nastätter Pfarrer Appelerius in einer Zehnten Aufstellung einen weiteren Reinhard von Klingelbach in Nastätten.
Der Klingelbach'sche Hof ging später durch Heirat an die Herren von Riedesel und Stein über. Dieses Geschlecht scheint im dreißigjährigen Krieg ausgestorben zu sein oder hat den Hof aus anderen Gründen aufgegeben oder verlassen. Nach Beendigung des dreißigjährigen Krieges im Jahre 1648 übernahm der Landesherr, der Landgraf Ernst von Hessen-Rotenburg-Rheinfels, den Hof, weil vakant also herrenlos in sein Eigentum.
Im Jahre 1690 verkaufte der Landgraf den ehemals Aftholderbacher -Walsdorfer-Klingelbach’schen Besitz in Nastätten und Buch an den Kaiserlichen Reichshofrath und kurtrierischen Geheimrat, Kanzler und Hofrichter Anton Sohler, der im gleichen Jahre im Alter von 57 Jahren für sich und seine Nachkommen vom Kaiser Leopold I. den Reichsadel mit dem Prädikat „Edle Herren von Sohlern und Münda" erhielt, für 3.500 Gulden.
Ebenfalls im Jahre 1690 verfügt der hessen-rheinfelsische Kanzleidirektor: „Die in der Nastätter Gemarkung gelegenen, zum gewesenen Kloster Aftholderbach gehörigen Güter bleiben billig bei ihrer hergebrachten Freiheit von Kontribution und sonstigen Lasten gleich anderen geistlichen Gütern“
Das Herrenhaus des nunmehr „von Sohlern’schen Hofes“ wurde 1692 erbaut, seine Größe betrug nach damaligen Maßen: Länge 101 1/2 Schuh, Tiefe 36 Schuh, Höhe 25 Schuh, Höhe des Daches 38 Schuh mit Dachstuben. Nach heutigen Maßen: Länge 30,45 m, Tiefe 10,80 m, Höhe 7,50 m, Höhe des Daches 11,40 m.
Über die bauliche Ausführung Ist überliefert, dass das Keller- und das Erdgeschoß in Bruchsteinmauerwerk aufgeführt wurde und dass das Über- und das Dachgeschoß aus Eichenholz-Fachwerk mit Bruchsteinmauerung besteht. Die Fenster des Erdgeschosses waren mit schön geschwungenen Ziergittern gesichert und die Blei-Dachrinnen waren so breit, dass man bequem darin um das Haus herumgehen konnte. Die Decken der Räume im Hause waren herrliche Stuckdecken, die zum Teil heute noch vorhanden sind. Ein Nastätter Künstler, Joseph Meurer, (der Moolerjosep) führte sie aus und behandelte sie auch farbig.
Joseph Meurer, er wohnte in der Borngasse 13, schuf auch für das Kloster Schönau eine Reihe von Bildern, darunter eine große Darstellung der Verklärung Christi.
Bei dem Herrenhaus standen Scheunen, Stallungen, Remisen und am Eingang zum Gesamtkomplex ein Hofhaus. Schöne Parkanlagen mit Fischteichen und einem Teich mit einem Springbrunnen gaben dem Ganzen herrschaftlichen Rahmen.
Die heute noch seitwärts neben dem Hauptgebäude stehende Linde kann von dem Erbauer, dem erster „von Sohlern“ gepflanzt worden sein.
Der Großteil der landwirtschaftlich zu nutzenden Besitzungen lag in der Gemarkung Buch. Es handelte sich hier um den ehemaligen Aftholderbach Klosterbesitz, der über das Nonnenkloster Walsdorf, die Herren von Klingelbach, deren Nachfolger und den Landgrafen von Hessen-Rheinfels in den Besitz derer von Sohlern gekommen war. Dazu gehörte auch die frühere Aftholderbacher Klostermühle (die Walsdorfer Mühle genannt), die heutige untere Bucher Mühle. Die Endsumme der Kriegslasten der Gemeinde Buch aus den Jahren 1792 bis Oktober 1796 belief sich auf 5.613 Reichstaler, wovon der Herr von Sohlern aus Nastätten für seinen Besitz in Buch (95 Acker) den Betrag von 546 Reichstaler zu bezahlen hatte.
Der Gesamtbesitz derer von Sohlern in Nastätten und Buch wird, das frühere hessische Ackermaß umgerechnet 100 Morgen = 25 Hektar groß gewesen sein. Mitbearbeitet wurde wohl auch noch der Besitz der Frau v. Schütz, einer Schwester des von Sohlern, die rund 66 Acker = 16,5 Hektar besaß.
An der Südseite der katholischen Kirche in Nastätten befindet sich eine in das Mauerwerk der Kirche eingelassene Wappentafel mit den Wappen: links oben - derer von Sohlern, rechts daneben - deren von Cracempach, links unten - derer von Synern, rechts daneben derer von Soroth.
Auf der Westseite der katholischen Kirche steht ein Grabmal aus grauem Sandstein, gewidmet. dem Franz Georg, Freiherr von Sohlern, geboren am 25. Dezember 1795 gestorben am 19. November 1824.
Franz Georg von Sohlern wurde also nur 29 Jahre alt, war verheiratet, hinterließ einen Sohn und eine Tochter, welche nachdem in Nastätten und Buch alles verkauft bzw. versteigert war, in Bayern lebten.
Vor dem Hochaltar der katholischen Kirche in Nastätten sind mehrere Mitglieder der Familie von Sohlern beigesetzt. Am 23. Februar 1723 übergaben und überließen mit Bewilligung und Consens des evangelisch-lutherischen Inspektors zu St. Goar H. Birkenhauer, der evangelisch-lutherische Pfarrer zu Nastätten, Gustav Christoph Lauber und sämtliche evangelisch-lutherischen Kirchen-Senioren dem gnädigen Herrn Johann Hugo von Sohlern im Chor der evangelischen Kirche zu Nastätten hinter dem Altar, unter der Orgel, wo eine Zeitlang der Pfarrstuhl stand, den Platz, wo gedachter Herr von Sohlern auf deren Kosten für die hochadelige Familie von Sohlern und deren Erben und Nachkommen einen Stuhl erbauen ließ (der vornehme Stuhl), der bei der Renovierung der Kirche im Jahre 1934 weggenommen wurde.
Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts war ein Fräulein von Sohlern an den französischen Obristen de Gousseault verheiratet. Sie starb vor der französischen Revolution. Der Obrist flüchtete mit seinen Töchtern an den Rhein und eine von ihnen vermählte sich mit dem Freiherrn Ferdinand Joseph von Sohlern. Sie überlebte alle ihre Kinder bis auf den jüngsten Sohn Franz Georg, der sich mit der Freifrau Josephine von Hausen: vermählte. Der Sohn Hermann wurde Offizier (das Offizierspatent kostete 1200 fl) unter König Jerome von Westfalen; erzog 1812 mit der „Grand-Armee“ Napoleons I gegen Russland und kam nicht mehr zurück. Der Sohn Ludwig war schwachsinnig, eine Tochter wurde als Kleinkind von einem tollwütigen Hund gebissen.
Eine jüngere Schwester der Freifrau von Sohlern, eine Mademoiselle de Gousseault weilte in Nastätten. Sie war abends, wie alle anderen im Hause Sohlern zu Bett gegangen, konnte aber nicht schlafen. Sie erhob sich wieder, trat ans Fenster, öffnete und hörte, nicht allzu weit entfernte Musik, Tanzmusik. Kein Wunder, dass der Wunsch zum Mitmachen aufkam, gedacht, getan, schnell angezogen und zurecht gemacht, schlüpfte sie leise aus dem Zimmer behutsam die Treppe hinunter zum Portal. Sie huschte durch den angrenzenden Park, der Musik entgegen. Sie kam an den Zaun zum Hause Außerehl am Tanzplatz (heute, steht hier das vom Hofrat und Oberschultheiß Heinrich. Cäsar um 1820 ‚erbaute jetzige Wohnhaus Perabo, Adolfsplatz 4, von dem aus im Jahre 1877 Robert Ferdinand Wagner nach Nordamerika auswanderte, um US-Senator, Schöpfer der Wagner-Bill und Ehrenbürger der Stadt Nastätten zu werden). Im Haus Außerehl wurde wahrscheinlich eine Wirtschaft betrieben. Hessische Soldaten, die wegen des berüchtigten Nastätter Kapellenstreits zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in Nastätten im Quartier lagen, machten Musik und die Jugend tanzte dazu. Ein junges Mädchen aus der Familie Außerehl erkannte das am Zaun stehende adelige Fräulein aus Frankreich, kauderwelschte mit ihr und animierte sie zum Mitmachen. Die Soldaten halfen beim Überklettern des Zaunes, und dann war nur noch Musik und Tanz. Bis im herrschaftlichen Haus der Wind die offengebliebene Portaltüre zuschlug, damit die Schläfer weckte und zum Nachschauen veranlasste, Mademoiselle war verschwunden. Die Suche, man folgte der Musik vom Hause Außerehl her, war erfolgreich. Das Mädchen wurde zurückgeholt, die Strafe war grausam. Sie hatte sich ohne Erlaubnis zu nächtlicher Zeit aus dem Hause entfernt, fremdes Eigentum betreten, sich gemeinsam mit Menschen niederen Standes vergnügt und manches andere mehr, was damals nicht standesgemäß war. Sie musste aus dem Hause derer von Sohlern entfernt werden. Sie kam ab sofort in ein Kloster nach Boppard. Die Hauptschuld an der harten Bestrafung scheint bei der Schwester, der Freifrau von Sohlern gelegen zu haben, denn ihr hat die Betroffene im Kloster zu Boppard nie verziehen.
Zur Geschichte derer von Sohlern schreibt der Buchbinder, Kirchenrechner und Küster Heinrich Franz in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts: „Der Sohn des Anton von Sohlern sei Kommandant der Festung Hermannstein, die heute Ehrenbreitstein heißt, gewesen. Ein Enkel war Inhaber eines Infanterieregiments“.
Die Nachkommen des Anton von Sohlern im dritten Glied waren wenig begabt. Keiner konnte einen Staatsdienst bekleiden. Ein früherer Verwalter bei den Sohlern sagte dies dem Buchbinder Franz selbst. Er jedenfalls war reich geworden. Im Jahre 1813/1814 war der Sohlern'sche Hof ein Lazarett, sowohl für Soldaten wie auch für Zivilpersonen. Vor allen anderen Krankheiten wütete das von den Truppen der verbündeten Armeen eingeschleppte Nervenfieber. In der schlimmsten Zeit starben täglich vier bis sechs Personen. Die einzige Trauerbegleitung waren die sechs Nachbarn für die notwendigen Verrichtungen. Es ging kein Geistlicher mit und es gab auch kein Glockengeläute. Fräulein Anna Maria von Schütz, Tochter der verwitweten Frau von Schütz, geborene von Sohlern machte eine Stiftung für die Zeit, solange die Welt steht. Alljährlich am Tage vor Weihnachten soll das Brot von einem Sack guten Roggenmehls, ca. 48 Stück, durch den katholischen Geistlichen im Pfarrhaus an die Ortsarmen verteilt werden. Das Unterpfand für diese Stiftung war eine Wiese in der Flur Schottenau im Schwall. Der jeweilige Besitzer dieser Wiese hatte die Brote zu liefern und jeweils den Betrag von 30 Kreuzer für das Austeilen der Brote. Die Stiftung „solange die Welt steht“ hielt bis zum Inflationsjahr 1923. Dann übernahm die Stadt die Verwaltung solcher Stiftungen. Sie gingen alle in der Währungsumstellung des Jahres 1948 vollends unter. Der letzte Besitzer der Wiese und Brotlieferant war der Müller und Landwirt Karl Rück in der Rosenmühle.
Am 19. Juni 1857 ging der von Sohlern'sche Hof (im Volksmund der solische Hof) zu je der Hälfte in den Besitz des Peter Joseph Berg und Ehefrau Philippine geb. Christ und des Dr. August Petsch und Ehefrau geb. Hennemann über. Er bestand aus dem Sohlern’schen Hof 85 Ruthen 28 Schuh; dem Küchengarten (gegenüber) 47 Ruthen 73 Schuh; Garten an der Fahrt an der Hofraithe 81 Ruthen 86 Schuh; Garten daselbst 81 Ruthen 36 Schuh; Garten hinter der Scheune und dem Aftholderbacher Pfad 77 Ruthen 17 Schuh; Acker oberm Hof an dem Pfad usw. 73 Ruthen 19 Schuh Acker hinterm Hof am Judentotenhof 58 Ruthen 23 Schuh und andere.
Peter Joseph Berg war Lehrer, Er gründete im Sohlern’schen Hof eine höhere Privatschule, die im Jahre 1857 27 Schüler und 27 Schülerinnen hatte. Die so begrüßenswerte Neueinrichtung fand nach gutem Beginn scheinbar nicht die nötige Unterstützung der Gemeinde. Sie wurde nach St. Goarshausen verlegt und mit der im Jahre 1853 gegründeten Mittelschule des Wilhelm Hofmann als Institut Hofmann vereinigt. Hieraus entwickelte sich das heute staatliche Wilhelm Hofmann Gymnasium St.Goarshausen.
Am 20. Dezember 1867 kauften in der Gemarkung Nastätten die Eheleute Philipp Wilhelm Christian Bingel und Christine Bingel geb. Herdling neben einer Reihe sonstiger Grundstücke den ehem. von Sohlern’schen Hof. Philipp Wilhelm Christian Bingel war von 1867 bis 1876 Bürgermeister von Nastätten.
Im Jahre 1876 steigerte Michel Wilhelm Pehl den von Sohlern'schen Hof. Die Größe war 8 Morgen, 61 Ruthen und 30 Schuh. Michel Wilhelm Pehl und seine in Buch geborene Frau Elisabeth geborene Wagner wohnten zur Zeit des Erwerbs ihres Nastätter Besitzes in Stuttgart. Das Anwesen wurde als Mietwohngrundstück genutzt. Mieter waren: Dr. Otto Nückel, prakt. Arzt kam 1872 nach Nastätten und blieb bis zu seinem Tode am 3. Januar 1893. Seine Patienten besuchte er meist hoch zu Roß, nicht wie sonst landläufig in der Kalesche. Der Tierarzt Dr. Rübsamen wohnte und praktizierte im Sohlern’schen Hof bis 1882.
Der Rendant und Steuereinnehmer Rosenbahn wohnte im Sohlern’schen Hof. Nach dem Tode des Michel Wilhelm Pehl wurde der Besitz auf den Namen der Erbengemeinschaft Michael Wilhelm Pehl Wwe. (Elisabeth) geborene Wagner, Anna-Maria Pehl,.Wilhelm Pehl, Clara Pehl eingetragen. Am 5. September 1896 übernahm der Kreis St. Goarshausen den Sohlern'schen Hof in einer Größe von 7 Morgen, 63 Ruthen und 34 Schuh.
Am 22. März 1897 anlässlich der einhundertsten Wiederkehr des Geburtstages Kaiser Wilhelm I schuf der Kreis St. Goarshausen auf dem Gelände des Sohlern'schen Hofes ein Versorgungshaus für alte Leute und gab ihm den Namen „Kaiser-Wilhelm-Heim“. Über dem Eingangsportal des nunmehrigen Altersheimes, als solches im Andenken an die Mutter Kaiser Wilhelm I. Luisenheim genannt, ist eine Tafel mit folgender Inschrift angebracht: „Bei Gelegenheit der Centenarfeier am 22.3.1897 ist das Kaiser-Wilhelm-Heim als Denkmal für Kaiser Wilhelm den Großen als ein Werk barmherziger Nächstenliebe im Sinne des großen Kaisers vom Kreise St. Goarshausen auf Veranlassung des Köngl. Landrats Berg, von dem die Mittel dazu von warmherzigen Kreiseingesessenen gesammelt waren, in´s Leben gerufen. Die Anstalt wurde im früher von Sohlern’schen Hofe als Altersheim eingerichtet, dem später mehrere Häuser für Kinderpflege angeschlossen wurden“.
Der Kreis St. Goarshausen erweiterte die Gesamtanlage „Kaiser-Wilhelm-Heim"' um den Neubau des Kreiskrankenhauses in den Jahren 1904/1905 anstelle der inzwischen niedergelegten großen Hofscheunen. Für diesen Bau bewilligte die Stadt Nastätten einen Zuschuss von 10.000 Mark; das alte Herrenhaus wurde rundum kanalisiert und damit auf trockene Füße. gestellt; der Innenausbau als Altersheim erfuhr einen vollendeten Abschluss; in den Gärten entstand die Kreisgärtnerei unter der Leitung eines Gärtnermeisters; auf dem Gelände hinter dem Hauptgebäude erstanden in den Jahren 1906/07 ein Kinderpflegeheim und eine Lungenheilstätte, Letztere wurde als solche nie genutzt, sie diente dem Landwirtschaftsverwalter als Wohnung; die Schaffung einer Halle zwischen Altersheim und Krankenhaus, welche in neuerer Zeit wieder abgelegt wurde; die Aufstellung einer Isolierbaracke; auch sie ist später auf Abbruch verkauft worden.
Während des ersten Weltkrieges von 1914 bis 1918 war das Kaiser-Wilhelm-Heim unter der ärztlichen Leitung des Sanitätsrates Dr. August Brauch ein Lazarett. Am 24.9.1914 trafen aus einem Lazarettzuge die ersten 40 Verwundeten mit einem Sonderzug der Kleinbahn ein und wurden von den vier Nastätter Autobesitzern abgeholt.
Da eine Kreisverwaltung für die Leitung und Führung einer Anlage wie das Kaiser-Wilhelm-Heim ungeeignet ist, suchte man eine andere Lösung und fand sie im Verkauf an die Paulinenstiftung zu Wiesbaden für den sehr niedrigen Preis von 23.500 Mark, das heißt, der. Kreis machte der Paulinenstiftung ein Geschenk gegen eine Anerkennungsgebühr, denn zur Zeit des Verkaufs Ende 1921 wurde der Dollar mit rund 180 Mark gehandelt, sodass sich nach dem Dollarkurs gerechnet ein echter Übergabewert von 7.583,33 Mark/1914 ergibt.
Wohl der wichtigste Teil des Ende 1921 abgeschlossenen Kaufvertrages ist der §5 dieses Vertrages. Er lautet: „Die Anlagen sind im Sinne des Stifters weiterzuführen”.
In den ersten Jahren nach der Übernahme des Kaiser-Wilhelm-Heims durch die Paulinenstiftung wurde in großzügiger Form ein landwirtschaftlicher Betrieb eingerichtet. Es wurde Land hinzugekauft und gepachtet, es wurden Wohnung, Scheune, Stallungen usw. gebaut und die Viehhaltung erweitert. Der Absatz der Erzeugnisse erfolgte an das Mutterhaus in Wiesbaden.
Etwa nach 1960 wurde der landwirtschaftliche Betrieb, weil unrentabel, aufgegeben. Die landwirtschaftlich genutzten Bauten wurden wieder abgerissen.